Begründung zum ersten Pro-Contra-Punkt
- Die höheren Unterhaltungskosten der Gasleuchten gegenüber mit Strom betriebenen Leuchten sind unbestritten. Allerdings gibt es eine Reihe von Vorteilen des Gaslichts, die dieses Manko kompensieren.
- Die Kosten von Demontage der Gasleuchten und Ersatz mit Elektroleuchten werden von Fachleuten auf mindestens 170 Millionen Euro geschätzt. Diese hohe Summe amortisiert die vorgesehenen Einsparungen bei Energie und Wartung nicht. Unter Berücksichtigung von Zins- und Tilgungszahlungen tritt ein Einspareffekt erst nach Jahrzehnten ein. In den vom Senat vorgelegten Berechnungen sind Steigerungen der Stromkosten nicht vorgesehen.
- Ein Großteil der Gas-Straßenbeleuchtung wurde in den letzten Jahren mit nicht geringem finanziellem Aufwand modernisiert. Neue Zündvorrichtungen und Überwachungssysteme sowie die Verwendung moderner elektronischer Magnetventile garantieren niedrigere Störquoten und eine hohe Zuverlässigkeit.
- Nachhaltigkeit: Gasleuchten sind bis zu viermal langlebiger als Elektroleuchten, da das Medium Gas die Masten schützt. Sauerstoff wird durch das hindurchströmende Gas verdrängt, so dass ein Rosten von innen nicht möglich ist.
Die Masten von Elektroleuchten haben eine normative Lebensdauer von rund 40 Jahren; ihre Leuchtköpfe halten etwa 20 Jahre (laut Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung). Dagegen stehen Gaslaternenmasten 50 bis 60, zum Teil sogar mehr als 100 Jahre. Der Leuchtkopf einer Gaslaterne ist ebenfalls sehr viel langlebiger. Das Material der Gaslaternenköpfe - im wesentlichen Glas, Blech und Emaille - kann recycelt werden. Die Leuchtköpfe der Elektrolaternen müssen jedoch als Sondermüll entsorgt werden. Die Gasbeleuchtung hängt an dem gleichen Netz wie Privathaushalte, Firmen u.ä. Bis 2003 wurden alle Berliner Gasleitungen saniert.
- Wartung der Gaslaternen: Seit der Privatisierung der öffentlichen Beleuchtung im Jahr 2001 werden alle Berliner Straßenlaternen nur noch sehr inkompetent und schlecht gewartet. Insbesondere die Gasleuchten fallen seitdem häufiger aus. Daran sind aber nicht die Laternentypen an sich schuld, sondern die Subunternehmen, die von dem Lichtmanagement mit der Wartung beauftragt wurden. Ihnen fehlt teilweise die notwendige Fachkenntnis, um Gaslaternen warten zu können.
Mit wenig Aufwand müssten bei der Wartung die Injektoren und Düsen gereinigt werden. Da dies nicht geschieht, stimmt das Luft-Gas-Gemisch nicht, mit der Folge, dass die Gaslaternen glimmen und nicht ihre volle Leuchtkraft entwickeln. Es besteht der Verdacht, dass dies politisch so gewollt wird. Die Bürger sollen den Eindruck bekommen, die Gasbeleuchtung sei marode, alles funktioniere nicht mehr richtig und müsse deswegen abgebaut werden.
Zwar ist die Wartung einer Gaslaterne etwas aufwändiger als die einer Elektroleuchte. Bezogen auf die wesentlich längere Lebensdauer ist dieser Nachteil jedoch zu vernachlässigen. Allgemein muss festgestellt werden, dass die Wartungsintervalle der gesamten Berliner Straßenbeleuchtung (Gas und Elektro) seit 2001 nicht mehr eingehalten werden. Äußere Pflege wie Rostschutz oder Neuanstrich findet seitdem gar nicht mehr statt.
Begründung zum zweiten Pro-Contra-Punkt
Senat | Gaslicht-Befürworter |
---|---|
"...der für die Straßenbeleuchtung anfallende CO2-Ausstoß lässt sich durch den Einsatz der neuen Leuchten beträchtlich reduzieren." | Kein eindeutiger ökologischer Nachteil |
- Der Anteil des Gaslichts am Kohlendioxidausstoß der gesamten Stadt Berlin ist mit 0,17 % vernachlässigbar gering. Die vom Senat anvisierte Einsparung von 26.000 t Kohlendioxid berücksichtigt nicht die Produktion des Stroms in Kraftwerken mit hoher CO2-Belastung (à Braunkohleverstromung) und die Energieverluste, die durch die Umwandlung in Kohle und Strom und den Transport entstehen. Gaslicht wird dagegen aus Erdgas, einem 100%igen Naturprodukt, erzeugt. In Zukunft können Gasleuchten auch mit Biogas betrieben werden.
- Die Ascherückstände abgebrannter Glühkörper sind mit etwa 2,5 bis 3 kg pro Jahr äußerst gering und lassen sich schnell und kostengünstig entsorgen. Zudem sind sämtliche Materialien wie Glas, Keramik oder Metalle wieder verwertbar und müssen nicht wie bei ausgemusterten Elektroleuchten aufwändig recycelt oder als "Elektroschrott" entsorgt werden. Durch den Einsatz solarbetriebener Schaltgeräte wird vielmehr Sondermüll wie Batterien vermieden.
Gaslaternen sind keine Klimakiller - Die Braunkohleverstromung ist ein Umwelt-Desaster
Das so genannte ökologische Argument für den Abbau der Gasbeleuchtung ist völlig überzogen. Ihr Anteil am CO2-Ausstoß ist verschwindend gering. Auch Berliner Elektrolaternen werden nicht CO2 frei betrieben.
Besonders kritisch: Der Strommix, u.a. für die Berliner Elektro-Straßenbeleuchtung, kommt zu großen Teilen aus dem Braunkohlekraftwerk Jänschwalde. Nach Angaben des Betreibers Vattenfall Europe erreichte das Kraftwerk Jänschwalde 2011 einen Netto-Wirkungsgrad von 35 bis 36 Prozent, ist also vergleichsweise ineffizient. Laut Europäischem Emissionsregister betrug der CO2-Ausstoß im Jahre 2011 24,3 Millionen Tonnen. Daneben fielen u . a. große Mengen an Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden, Quecksilber, Blei, Arsen und Feinstaub an.
Auf der 2007 vom World Wide Fund for Nature (WWF) herausgegebenen Liste der klimaschädlichsten Kraftwerke in der EU rangierte Jänschwalde auf Rang 4. Weltweit liegt es auf Platz 7. Anhand der Emissionsdaten schätzt die Europäische Umweltagentur (EUA), dass das Kraftwerk Jänschwalde Schadenskosten im Bereich Umwelt und Gesundheit von bis zu 2.000 Millionen Euro verursacht. Obgleich es der jüngste der drei verbliebenen Kraftwerkstandorte der Lausitz ist, hat es die durchschnittlich älteste Technik. Planungen von Vattenfall zur Modernisierung, u.a. eine Anlage zum Abscheiden und Verpressen von CO2, wurden 2011 eingestellt.
Der Konzern Vattenfall wird von der Umweltschutz-Organisation Greenpeace als eines der umweltschädlichsten Unternehmen aufgeführt. Dennoch wurde der Managementvertrag für die Berliner Straßenbeleuchtung (Elektro- und Gaslaternen) für die nächsten 7 Jahre an Vattenfall vergeben.
Kritisch ist auch der von Vattenfall betriebene Emissionshandel zu sehen, wodurch es faktisch nicht zu einer CO2-Einsparung kommt. Eine Umstellung der Berliner Elektro-Straßenbeleuchtung auf Ökostrom ist nicht vorgesehen, da das für das Land viel zu teuer ist. Im Gegensatz zum Strom ist Gas ist eine primäre Energiequelle und wird erst vor Ort verbraucht.
Mittlerweile speist die GASAG mehr als 10 Prozent Biogas in das Gasnetz ein. Dieser Anteil wird in den nächsten Jahren noch weiter erhöht ausgebaut. Durch das noch in der Entwicklung befindliche Biogasaufbereitungsverfahren "Methanisierung" (Umwandlung von CO2 in Methan) wird es in Zukunft gelingen, ein nahezu CO2-freies, einspeisefähiges Erdgas-Äquivalent zu erzeugen (Quelle: Fraunhofer-IWES).
Gaslaternen – ein Beitrag zum aktiven Naturschutz
Die elektrische Beleuchtung unserer Großstädte macht etwa 50 % des sogenannten Lichtsmog ("Dark Sky Syndrom") aus. In klaren Nächten ist es in Großstädten wie Berlin heute bereits zehnmal heller als vor 150 Jahren. Staubpartikel brechen das Licht, über den Städten leuchten riesige Lichtglocken. Durch den geplanten verstärkten Einsatz von LED-Leuchten mit ihrer eher weißen Farbqualität wird sich dieser Effekt noch erhöhen mit derzeit noch unabsehbaren (gesundheitlichen) Folgen für Mensch und Tier. Gaslaternen erzeugen dagegen mit ihrem besonderen Lichtspektrum keine Lichtverschmutzung.
Da Gaslicht keinen UV-Lichtanteil besitzt, zieht es keine Insekten an. Da diese sich nachts am kühlen, weiß-blauen Licht von Mond und Sternen orientieren, werden sie besonders von Leuchtstoffröhren angezogen. An einer einzigen Elektrolaterne mit Kompaktleuchtstoffröhren (wie z.B. bei dem Semperlux Modell "Jessica") verenden pro Nacht etwa 150 der für die ökologische Nahrungskette wichtigen Insekten.
Rechnet man diese Zahl um auf die 8.000 demontierten Gasreihenleuchten, dann werden künftig an den neu aufgestellten Elektroleuchten jede Nacht bis zu 1.200.000 Insekten getötet. Experten wie der Mainzer Zoologe Gerhard Eisenbeis (emeritierter Professor mit Forschungsschwerpunkten Bodenbiologie und Forstentomologie) schätzen, dass Deutschlands Straßenlaternen Nacht für Nacht zu einem Massengrab für weit mehr als eine Milliarde Insekten werden.
Da Insekten einen wichtigen Bestandteil der Nahrungskette darstellen, wird sich hier langfristig ein ökologisches Ungleichgewicht ergeben mit noch nicht absehbaren Folgen. Prof. Eisenbeis: "Wenn man bedenkt, dass die Insekten in allen Landökosystemen eine zentrale Rolle spielen, wenn es keine Insekten mehr gibt, dann sind Fledermäuse betroffen, viele insektenfressende Vogelarten sind betroffen. Die Insekten sind eine Schlüsselgruppe in der Natur. Man muss davon ausgehen, dass das Licht als wichtiger Faktor für den Rückgang von Arten verantwortlich ist."(Quelle:)
Bei der Demontage der Gaslaternen - wie z.B. den Gasreihenleuchten - werden massiv Baumwurzeln geschädigt. Da pro Leuchte immer zwei Baugruben gesetzt werden müssen, entstehen alleine beim Abbau der 8.000 Gasreihenleuchten insgesamt 16.000 Baugruben. An fast allen Standorten befinden sich Bäume in unmittelbarer Nähe. Welche Schäden sie nehmen, wird erst in den kommenden Jahren zu beobachten sein.
Kompaktleuchtstoffröhren, wie sie in der Elektroleuchte "Jessica" eingesetzt werden, enthalten bis zu 5 mg Quecksilber je Leuchte. Dieses muss aufwändig entsorgt und recycelt werden.
Die Qualität des Gaslichts ist sehr hochwertig. Zum einen ist es blendfrei und erzeugt einen klaren Schattenwurf, zum anderen werden alle Farben in der Umgebung weitgehend natürlich wiedergegeben. Dadurch entspricht es auch den Sicherheitsstandards - eine fachgerechte Wartung vorausgesetzt. Elektroleuchten schneiden hier deutlich schlechter ab. (Vergleich: 4-flammige Gas-Reihenleuchte ca. 5 Lux / 9-flammige Gas-Reihenleuchte ca. 12 Lux / Elektroleuchte "Jessica" bis 2,0 Lux - Quelle: Baukammer Berlin).
Nicht unberücksichtigt bleiben sollte aber auch die ästhetische Qualität. Von den meisten Menschen wird das gold-gelbe Licht der Gaslaternen angenehmer empfunden als das blau-weiße Elektrolicht. Gaslicht bedeutet also auch ein Stück Lebensqualität. Nicht umsonst werben Makler, Hauseigentümer oder Bauherren mit dem Vorhandensein der besonderen Gasbeleuchtung vor Ort.
Begründung zum dritten Pro-Contra-Punkt
Senat | Gaslicht-Befürworter |
---|---|
„… ermöglicht die Umrüstung auf LED eine dem Gaslicht nahezu identische Lichtfarbe.“ | LED ist nicht unkritisch zu bewerten. |
Jüngste Äußerungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung besagen, dass nur in sehr wenigen, ausgesuchten Bereichen Berlins die so genannten LED-Gaslicht-Imitat-Leuchten, die die Qualität des Gaslichts annähernd wiedergeben, aufgestellt werden.
Sie sind viel zu teuer und technisch noch nicht ausgereift. Es gibt keine wissenschaftlichen Langzeitstudien, ob die LED-Beleuchtung wirklich 5-10 Jahre und länger hält. Tatsache ist, dass die Lichtausbeute nach und nach immer schwächer wird. Sehr helle LED-Leuchten unterliegen einer hohen thermischen Belastung, worunter ihre Lebensdauer erheblich leidet.
Bei der Produktion der Leuchtdioden werden ökologisch nicht unbedenkliche seltene Erden verwendet, zumindest bei älteren LED-Leuchten auch giftige Arsen-Verbindungen. Die CO2-Emission bei Produktion und Transport aus Fernost ist ebenfalls nicht unerheblich.. Verbrauchte LED-Leuchten müssen als "Elektroschrott" entsorgt werden. Das Recyceln gilt als aufwändig.
Begründung zum vierten Pro-Contra-Punkt
Senat | Gaslicht-Befürworter |
---|---|
„Die öffentliche Beleuchtung … prägt das Stadtbild.“ | Gaslicht gilt als industrie- und kulturgeschichtliches Zeugnis. Außer dem recht lapidar wirkenden Hinweis auf die Stadtbildprägung der öffentlichen Beleuchtung vernachlässigt das Lichtkonzept des Berliner Senats kultur- und technikgeschichtliche Aspekte völlig. |
Dabei ist die Berliner Gas-Straßenbeleuchtung weltweit einmalig und stellt ein wertvolles kulturelles und technikgeschichtliches Erbe dar, das in seiner Art und Vielfalt nur durch die besondere Situation Berlins überleben konnte.
Ein solch bedeutsames Kulturgut darf nicht vermeintlichen Sparzwängen zum Opfer fallen.
Gaslicht gilt als eine der Triebfedern der Industriellen Revolution. Seine Entwicklung veränderte die städtische Alltagskultur entscheidend. Die ersten 26 Gaslaternen wurden 1826 an der Straße „Unter den Linden“ in Betrieb genommen. Hundert Jahre später trug die deutsche Hauptstadt den Beinamen „Gasopolis“, da hier die Gasbeleuchtungsindustrie ihren Schwerpunkt hatte und viele Entwicklungen der Gaslicht-Technologie von hier stammten.
Anhand der großen Vielfalt an Masten und Kandelabern, die teilweise über 150 Jahre alt sind, lässt sich die Entwicklung der Beleuchtungskultur noch heute alltagstauglich ablesen und spüren.
Mittlerweile bescheinigt ein Gutachten, dass die Berliner Gas-Straßenbeleuchtung in ihrer Formgebung und Betriebsweise als technisches Denkmal angesehen werden muss.
Gaslicht als stadtbildprägendes Element
Mit ihrem typischen Aussehen und dem besonderen, angenehmen Licht prägen Gaslaternen das Erscheinungsbild zahlreicher Stadtviertel Berlins. Die meisten der rund 44.000 gasbetriebenen Leuchten stehen in westlichen Bezirken. Spitzenreiter ist der Ortsteil Frohnau, in dem 98% der Straßen mit Gas beleuchtet werden. Besonders viele Gaslaternen gibt es noch in Zehlendorf, Charlottenburg, Wilmersdorf, Lichterfelde und Lichtenrade. Überall dort gehören die Gaslaternen zur Identität ihres Umfelds. Berlin kann daher für sich in Anspruch nehmen, ein Alleinstellungsmerkmal als Gaslicht-Metropole zu besitzen.
Gaslicht als touristischer Faktor
Obwohl das Gaslicht als einzigartiges Kulturgut mit Alleinstellungswert angesehen werden kann, hat das politische Berlin bisher seinen touristischen Wert noch nicht erkannt.
In London dagegen werden Busrundfahrten unter dem Motto „Visit London by Gaslight“ angeboten. Prag hat erst vor kurzem über 500 Gasleuchten auf der Karlsbrücke und am historischen Krönungsweg zur Burg neu aufgestellt. Und auch in Warschau hat man mit der Installation von Gasleuchten begonnen.
Für Berlin bietet sich also in Zukunft durchaus noch Potential, die vorhandenen Gaslaternen touristisch und damit als Wirtschaftsfaktor zu erschließen.